Historismus & Jugendstil – Sammlung der Staatlichen Zeichenakademie Hanau

Datum: 
Donnerstag, 25. Januar 2018 - 0:00 bis Donnerstag, 26. April 2018 - 0:00
Foto: Archiv Gesellschaft für Goldschmiedekunst


Hanau erreichte im späten 17. und 18. Jahrhundert seine Blüte als Gold- und Silberschmiedestadt. Hanauer Firmen standen in regem Austausch mit Pariser Juwelieren, die Söhne und Gesellen wurden zur Ausbildung nach Paris geschickt, man beschäftigte französische Gesellen. Es wurde den Hanauer Firmen im Laufe der Jahre ein wichtiges Anliegen, eine Zeichenschule „zur besseren Emporbringung der Fabriquen, Künste und Handwerke“ zu gründen. In Erbprinz Wilhelm IX., Erbprinz von Hessen und Graf von Hanau, fanden sie einen Befürworter und Unterstützer ihrer Idee. Zu den Initiatoren gehörten die Graveure Jean Jaques Bury (1728–1785) und Jean Louis Gallien (1730–1809). Am 20. Juli 1772 wurde die „Hanauische Academie der Zeichenkunst“ gegründet und unter den besonderen Schutz des Landesherrn gestellt. Vor allem das Zeichnen, Modellieren und Entwerfen gehörte zu den Unterrichtsfächern. Ohne das große Engagement von 53 Hanauer Bürgern wäre die Unterhaltung der Schule nicht möglich gewesen. Von Anfang an gab es zudem Stifter von Gemälden, Kupferstichen und Büchern.

Der Kupferstecher Conrad Westermayr (1765–1834) wurde 1806 zum zweiten Direktor der Schule ernannt, ihm folgte der Maler Theodor Pellisier (1794–1863) im Jahre 1838. Zu dieser Zeit war die Akademie eine reine Zeichenschule, auch wenn die Ausrichtung stark auf das Edelmetallgewerbe zugeschnitten war. Friedrich Karl Hausmann (1825–1886), ebenfalls Maler, leitete die Schule ab 1864. Einen bedeutenden Aufschwung erreichte die Ausbildungsstätte im Jahre 1866, als Kurhessen zu Preußen kam, und die Zeichenschule zur „Königlich Preußischen Zeichenakademie“ wurde, die von nun an zu den fünf Akademien Preußens zählte. In einer Beschreibung der Zeichenakademie aus dem Jahre 1879 werden zahlreiche Unterrichtssäle, Ateliers, eine reiche Bibliothek und ein Museum genannt, außerdem wird von einer umfangreichen Sammlung von Modellen, Abformungen und kostbaren Gegenständen gesprochen. In dieser Zeit nahm die Entwicklung zu einer praxisorientierten Schule ihren weg, die eine fachgebundene Ausbildung für den Nachwuchs des Edelmetallgewerbes mit sich brachte.

Mit dem Neubau der Hanauer Zeichenakademie im Jahre 1880 konnten neue Werkstätten eingerichtet werden. Unter der Leitung des Ziseleurs August Offterdinger (1855–1934) wurde 1882 eine Ziselierwerkstatt eingerichtet, ab 1889 gab es unter Louis Beschor (1857–1929) eine Goldschmiedewerkstatt, 1901 folgte eine Gravierklasse, 1905 eine Silberschmiede. Außerdem gab es Werkstätten für Stahlgraveure, das Fassen von Edelsteinen sowie Lithographie und Buchdruck.  Zunächst orientierte man sich am damaligen Zeitgeschmack, vor allem huldigte man dem archäologisch-historisierenden Stil, der Neo-Renaissance, dem Manierismus, dem Neo-Barock und dem Neo-Rokoko. Es wurde eine Lehrmittelsammlung aufgebaut, in der sich auch Kopien von Schmuckstücken des Nürnberger und Berliner Gewerbemuseums befanden. Allmählich zeichnete sich auch ein Wechsel vom Stil der Neo-Renaissance zum Jugendstil ab. Der Bildhauer Max Wiese (1846–1925) übernahm 1886 die Leitung der Akademie, ihm folgte 1909 der Entwerfer und Bildhauer Hugo Leven (1874–1956), der Werkstattunterricht gewann immer mehr an Bedeutung. Zur Zeit des Jugendstils beteiligte sich die Schule an den Weltausstellungen, so etwa 1900 in Paris, wie auch 1904 in St. Louis und wurde mit einer Goldenen Medaille ausgezeichnet.

Im Jahre 1903 existierte in der Schule eine bedeutende Lehrmittelsammlung: Es gab 580 Metallgeräte, 350 Schmuckstücke, 2800 plastische Vorbilder, Porzellan, Naturalien (Vögel, Insekten, Muscheln), Gipsabgüsse, Medaillen und Münzen sowie 3600 Tafeln mit Vorlageblättern. Auch wenn über die Jahrhunderte zahlreiche Verluste zu verzeichnen sind, haben sich meisterliche Zeichnungen und Vorlagen von Gold- und Silberschmiedearbeiten wie auch bedeutende Zeugnisse des Historismus und Jugendstils, Schmuckstücke und Gefäße, erhalten, die in Auswahl zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Anhand eines erhaltenen, oft überschriebenen Inventarbuches, konnte manches Stück identifiziert und in den historischen Kontext eingeordnet werden. Es werden u.a. Firmen genannt, von denen Exponate für die Schule angekauft als Schenkung überlassen wurden. Zu ihnen gehören die Bijouterie Fabrikation Hermann Bauer in Schwäbisch Gmünd wie auch die Hanauer Firmen Bissinger & Söhne, A. Schleissner, C. Hertel & Sohn oder C.M. Weishaupt & Söhne. Gelegentlich ist vermerkt, in welcher Werkstatt das Stück gefertigt wurde, wer der Entwerfer oder der ausführende Künstler war und wann der Erwerb erfolgte. Aus dem Inventar erfahren wir auch, dass als Vorlage für die Fertigung so mancher Stücke auch Originale aus bedeutenden Kunstgewerbesammlungen wie Budapest, Berlin oder Nürnberg dienten.

Die komplette Erfassung und Bewertung des gesamten Bestandes an Schmuck und Gerät des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Archiv der Staatlichen Zeichenakademie bedarf noch einer umfassenden wissenschaftlichen Recherche.